Methoden beim Landeskriminalamt:Dem Verbrechen auf der Spur

Beim Landeskriminalamt lösen Wissenschaftler mit modernsten Methoden Kriminalfälle. Oft reicht eine winzige Schuppe oder ein kleines Störgeräusch auf dem Tonband.

Susi Wimmer und Jakob Wetzel

Es sind meist Details, die bei der Aufklärung von Verbrechen entscheidend sein können. Die Chemiker des Landeskriminalamtes (LKA) etwa können Drogenkonsum anhand der Rückstände in Haaren nachweisen. Dabei sind die Messtechniken so sensibel, dass die Experten problemlos die "Verunreinigung" im Starnberger See durch eine Halbe Bier nachweisen könnten. Die folgenden drei Technologien zählen im Kriminaltechnischen Institut (KTI) zu den neuesten Errungenschaften:

Methoden beim Landeskriminalamt: Ermittlungen bis ins kleinste Detail: Biologe Wolfgang Voll sichert mit dem Skalpell winzige Hautschüppchen.

Ermittlungen bis ins kleinste Detail: Biologe Wolfgang Voll sichert mit dem Skalpell winzige Hautschüppchen.

(Foto: Robert Haas)

3D-Laser-Technik

"Wir sind in einer anderen Dimension gelandet", sagt Guido Limmer, Leiter des KTI, und macht eine kurze Pause. Tatsächlich sitzt der Zuschauer vor der Leinwand und fliegt quasi mit einem Stein vom Boden aus durch die Luft, passiert ein Fenster und landet an einer Wand. Was anmutet wie ein Videospiel, ist gerichtsverwertbares Beweismaterial: Der Tatort ist real, der Fall ist echt, es geht um einen Anschlag mit rechtsradikalem Hintergrund im Sommer 2010 in Niederbayern. Was auf der Leinwand abläuft, ist kein Film- oder Fotomaterial, es ist die exakte Vermessung eines Tatortes mit einem Laserscanner.

Innerhalb weniger Minuten kann das Gerät in einem Radius von bis zu 80 Metern mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern die Umgebung scannen, sodass ein fotorealistisches Bild entsteht. Im Gegensatz zur Sphero-Cam, die beispielsweise beim Polizeipräsidium München eingesetzt wird, kann der Betrachter später am Computer nicht nur den real abgebildeten Tatort begehen, sondern sich an jeden möglichen Punkt im Raum bewegen. Das heißt, er kann den Tatort zum Beispiel aus der Luft betrachten, von der Seite oder, wie bei dem Anschlag, mit dem Stein mitfliegen.

Auf diese Weise können Zeugenaussagen rekonstruiert und überprüft werden, ohne dass die Ermittler das Büro verlassen müssen. Bei einer Gerichtsverhandlung ist kein Termin vor Ort mehr nötig, der Tatort kommt quasi ins Haus. Und: Der Ort des Verbrechens wird "eingefroren", auch Jahre später lassen sich neue Erkenntnisse oder Aussagen anhand der dreidimensionalen Animation nachprüfen.

Ein anderer Fall: Ein junger Mann im Krankenbett, sein Gesicht ist entstellt und aufgeschwollen: Er war 2010 bei einer Schlägerei in Franken schwer verletzt worden. Ein Freund knipste am Krankenbett das mit blauen Flecken übersäte Gesicht. Später bat das KTI den Mann an den Streiflichtscanner. Der fertigte ein 3-D-Bild vom Kopf des Opfers. So gelang es, das Handyfoto auf den dreidimensionalen Kopf zu stülpen und die Verletzungen zu begutachten. An der linken Stirn hatte der Mann merkwürdige rote Abdrücke, kreisrund, daneben Striche. Als die Polizei später einen Tatverdächtigen im Visier hatte und dieser leugnete, nahmen sie die Schuhe des Betreffenden unter die Lupe. Ein Paar Turnschuhe wurde eingescannt und die Verletzungen mit dem Schuh verglichen. "Die Ösen und die Schnürung passten exakt zu den Abdrücken auf der Stirn des Opfers", sagt Limmer. Der Täter hatte sein Opfer mit diesem Schuh getreten.

Präparation von Einzelschuppen

Präparation von Einzelschuppen

Es ist die berühmte Stecknadel im Heuhaufen, die Wolfgang Voll alltäglich sucht. Der Biologe fahndet nach einzelnen Hautschuppen auf Kleidungsstücken. Nach Kapitaldelikten wie schwerem Raub, Vergewaltigung oder Mord wird die Kleidung des Opfers untersucht. Ein Pullover beispielsweise wird ausgelegt und mit Spurensicherungsbändern Reihe für Reihe abgeklebt. Löst man die so aufgesammelten Rückstände von Schuppen, Haarwurzeln, Blut oder Sperma auf einmal ab, so erhält man in der Regel eine Mischspur, sagt Voll. Anders seine Technik: Die Klebebänder werden auf eine Folie gepackt und dann unter das Mikroskop gelegt. Jedes Fleckchen, das beispielsweise eine Schuppe sein könnte, wird nun mit dem Skalpell ausgeschnitten, einzeln gesichert und untersucht. "Je engmaschiger wir suchen, desto besser ist natürlich das Ergebnis", sagt Wolfgang Voll. Eine Methode, die unglaubliche Konzentration und Geschick erfordert. "Etwa vier Stunden am Tag", sagt Voll, könne er so arbeiten, "dann bist du kaputt". Für ein Kleidungsstück benötigt der Biologe mindestens eine Woche, bis zu 1000 Schuppen kann er schon mal aus einem T-Shirt ziehen. Eine Kleinstarbeit, die sich lohnt: Voll hat etliche DNS-Spuren gesichert und zur Klärung von Fällen beigetragen. Ein Mann hatte etwa im Raum Bayreuth eine Bank überfallen und eine Geisel genommen. Das Opfer packte er von links hinten und legte ihm dabei seine Hand auf die rechte Brust, mit der anderen Hand presste er der Geisel eine Pistole an die Schläfe. Der Täter flüchtete. Wolfgang Voll klebte die Jacke des Opfers an der rechten Brust ab - und kam so auf die DNS-Spur des Täters.

Schwankungen in der Netzfrequenz

Der Mord ist nur ein Beispiel: Die Leiche liegt auf dem Teppich, aber der Hauptverdächtige hat ein Alibi. Er präsentiert der Polizei ein Video von einer Feier, in dem er zu sehen ist. Wer feiert, kann in dieser Zeit niemanden umbringen. Aber ist das Alibi wasserdicht? Wurde das Band wirklich zur Tatzeit aufgenommen?

Das LKA kann das inzwischen anhand von Störgeräuschen auf der Tonspur überprüfen. Denn unter jeder Tonaufnahme liegt ein leises Brummen, das von der elektrischen Netzfrequenz herrührt: Wechselspannung schwingt und erzeugt auf elektrischen Aufnahmen einen Ton. Dieser ist in fast allen Ländern Europas derselbe, von Portugal bis Polen: Sie hängen am selben Stromnetz, also empfangen sie dasselbe Störgeräusch.

Entscheidend daran ist: Die Frequenz schwankt, und zwar zu jedem Zeitpunkt auf andere Weise. "Es gibt gewissermaßen Schwankungen im Elektrosmog. Und deswegen hat jede Aufnahme einen individuellen Zeitstempel", erklärt Dagmar Boss, die Leiterin der Abteilung für Phonetik im LKA. In ihren Rechnern sehen die Beamten die Netzfrequenz als zitternde Linie, das Muster ist jeden Tag anders. Wenn die Beamten also kontrollieren wollen, ob das Video des Verdächtigen wirklich zur Tatzeit aufgenommen wurde, müssen sie nur das Störgeräusch auf dem Band mit dem Schwanken der Netzfrequenz zur Tatzeit vergleichen. Ist beides identisch, ist das Alibi echt.

Verantwortlich für das Schwanken der Frequenz ist der Stromverbrauch. Zwar arbeiten alle Stromgeneratoren weitgehend konstant mit einer Frequenz von 50 Hertz, also 50 Schwingungen pro Sekunde. Aber jedes Mal, wenn zum Beispiel eine Fabrik hochgefahren wird, werden die Generatoren stärker belastet - bis die Kraftwerke nach kurzer Zeit den erhöhten Bedarf ausgleichen. Sie steigern die Leistung, die Rotoren drehen sich wieder schneller. Und so schwankt die Netzfrequenz in einem winzigen Bereich zwischen 49,95 und 50,05 Hertz - genug für das Landeskriminalamt. Die Beamten registrieren kleinste Schwankungen, und ihnen reicht eine geringe Strommenge. Das Störgeräusch kann sogar zu hören sein, wenn das Aufnahmegerät gar nicht am elektrischen Netz hängt, zum Beispiel wenn der Film mit einer tragbaren Videokamera aufgenommen worden ist. Denn oft reicht der Ton, der von anderen Elektrogeräten im Raum ausgeht, um die Schwankungen in der Frequenz messen zu können.

Seit Juli 2010 schneiden die Beamten die Netzfrequenz mit, 24 Stunden am Tag, Ziel ist eine Datenbank. Deutschlandweit ist das Bayerische LKA damit ein Pionier - dabei ist die Technik vergleichsweise simpel. Die Netzfrequenz lasse sich an jeder Steckdose messen, sagt Dagmar Boss. "Wir in München haben einfach als erste die Genialität dieser Anwendung erkannt."

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